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Der Amerikaner Rodney Mc Millian holt sich Teppiche vom Sperr-  mützen, die an Smith‘s Detroiter Leidensgenossen gemahnen. Un-
                            müll oder aus privatem Bereich, hängt sie an die Wand und bemalt   aufdringlich wird bei den vom Künstler fein bearbeiteten Objekten
                            sie  teilweise.  Sie  werden damit  vom Gebrauchsgegenstand  zum   das Hintergründige  mitgeteilt,  zuweilen  sogar in  einer Spannung
                            Kunstobjekt und wandeln sich in abstrakte Malerei. Seine bemal-  zwischen Ernst und Humor, wie etwa bei den Strampelhosen. Was
                            ten Tücher und bearbeiteten Teppiche nehmen thematisch auf den   zunächst wie ein lustiges Kinderspiel anmutet, sagt doch in seiner
                            Innen- wie Außenraum Bezug, sie lassen gerade in seinen Spuren   kantigen,  körperlosen,  der Wand  zugekehrten  Gestaltung  einiges
                            den Menschen selbst vermissen; am Rande stehend wird er ger-   über Zucht  und  Zwang aus.  So erlangen  die  sprechenden  Zeug-
                            ne von der Gesellschaft vernachlässigt und gar benachteiligt, sucht   nisse durch das  neue  Eigenleben  metaphorische  Bedeutung und
                            aber  umso  intensiver  nach  seiner  Identität,  schafft  sich  Luft  und   bewahren eine fremdartige Schönheit und Würde. Bezeichnender-
                            wehrt sich, hier z.B. mit einem wie abgefackelt mahnenden Ban-  weise war eine seiner Ausstellungen „Materialismus der Grundbe-
                            ner („Asshole Painting“). Die Malerei auf verbrannter Decke ist von   dürfnisse“ benannt.
                            dramatischer Wucht und lässt an die berühmte Serie „Elegy of the   Angesichts der Objekte  von  Jimmie  Durham fragt  man  weniger
                            Spanish Revolution“ von Robert Motherwell denken.              nach ihrer ursprünglichen Funktion als nach ihrer kulturgeschicht-
                            Auch die Grafik o.T. in Mischtechnik (2010) von Michael E. Smith   lichen  Bedeutung.  Historische  und moderne  Fundstücke  werden
                            mit ihren drei schwarzen, den Bomben ähnlichen Körpern gehört   von  dem  Zauberer  Durham  in  neuartige  Wesen  verwandelt,  in
                            in diesen Zusammenhang. Der Amerikaner Smith ist aber letztlich   denen nicht zuletzt seine eigene indianische Abstammung durch-
                            gewissermaßen  der  Stille,  ein  ruhender  Pol  der Ausstellung. Wie   scheint.  „Ich  versuche,  eine  unbekannte  Zukunft  zu  zelebrieren“,
                            nebenbei  abgestellt  und dennoch  im Gesamtzusammenhang  ge-  bekennt  Durham,  und  das  gelingt  dem  einstigen  politischen  Ak-
                            zielt platziert, liegen sehr eigenwillige Objekte auf dem Boden, eine   tivisten und Konzeptkünstler der ersten Stunde bis heute so hu-
                            orangefarbene Gasflasche oder ein fein bearbeitetes Wespennest;   mor- wie geistvoll und immer getragen von bescheidenem Ethos.
                            als übrig gebliebene Reste können organische Dinge sogar grotes-  Die zerbrechlichen Geschöpfe verbreiten eine Atmosphäre fremd-
                            ke menschliche Züge annehmen; auch sie künden vom Leben und    artiger Dämonen oder Geister um sich, ein Eindruck, der durch das
                            Überleben, vergleichbar den mit Tierkadavern verdreckten Jockey-  Skurrile ihrer gebastelten Gestalt bei den Betrachtenden immer zu-








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