Page 22 - Katalog Beyond the Box 820 final.indd
P. 22

Bogen von objets trouvés über Installationen und Wortbotschaften   sagen moralische – Verantwortung spricht. Und diese Qualität ist
                         bis hin zu minimalistischen Zeichnungen. Und es kommt auf Grund   spürbar,  ganz  gleich,  ob  die  Kunstschaffenden  der  eigenen  Ge-
                         der klugen Inszenierung sogar zu spannenden Zwiesprachen, wenn   schichte im globalen Zusammenhang nachspüren wie etwa Diango
                         etwa die orange Gasflasche von Michael E. Smith wie ein reales   Hernandez  oder  Geschichten  aufbereiten  wie  Haegue  Yang  und
                         Relikt aus den Detroiter Ruinen von Mel Chin interpretiert werden   Plamen  Dejanoff,  ob  sie  sich  mit  Urbanistik  befassen  wie  Hiroki
                         kann oder wenn die konstruktive Wandarbeit von Haegue Yang auf   Tsukuda oder mit gesellschaftspolitischen Problemen wie Mel Chin;
                         die  meisterliche  minimalistische  Handzeichnung  des  Anastasi  als   auch Verbindungen  zu Wissenschaften  knüpfen  sie  an wie  etwa
                         ihr fernes Gegenüber blickt.                                   Mariana Castillo Deball, und selbst Anastasi, der sich vornehmlich
                                                                                        mit  innerkünstlerischen  Problemen  auseinandersetzt,  findet  Ge-
                         Dass von den meisten Künstlern mehrere Arbeiten zu sehen sind,   hör. Alle Künstler reiben sich am Zustand der Welt und reflektieren
                         erleichtert Besuchenden den Gang durch die Präsentation und ver-  ihn und – um nochmals Okwui Enwesor heranzuziehen – Kunst-
                         tieft das Verständnis der künstlerischen Aussagen. Hinzu kommt,   geschichte  hat wie bei dem  Kurator  eben auch bei ihnen immer
                         dass Dohmen selten Einzelstücke sammelt, um sich etwa von de-  mit Geschichte zu tun. Dass den Mediziner und Kunstenthusiasten
                         ren Wert als Trophäen beglücken zu lassen, vielmehr setzt er sich   Dohmen selbst aktuelle globale Themen umtreiben, beweist sein
                         mit den Künstler*innen intensiv auseinander und verfolgt ihre Vor-  Engagement für das interkulturelle Projekt “No es arte“. Dieses be-
                         stellungen  und Vorgehensweisen  über  längere  Zeit.  „Kunst  muss   müht sich darum, Schätze und Heiligtümer, die einst dem kolumbi-
                         eine Aura haben,  die  einen  in  den  Bann zieht“, tut  der Sammler   anischen Urvolk der Tairona geraubt wurden, zu kaufen und deren
                         kund. Seit jeher reizen ihn jene Arbeiten, die eine Sinnlichkeit aus-  Nachkommen zurückzugeben.
                         strahlen, die aber neben ihrem fast verführerischen Charakter zu-
                         gleich  ein  erkennbares  Konzept  verfolgen.  Doch  diese  Deutung   Jenseits allen pekuniären Werts, vielmehr ausgehend von persönli-
                         reicht nicht aus, um das Außergewöhnliche der Sammlung gänzlich   chem Erleben sprechen in den Arbeiten von Rodney McMillian und
                         zu charakterisieren: alle Künstler*innen vermitteln zudem in ihren   Michael E. Smith gebrauchte Gegenstände und Relikte des Alltags
                         Arbeiten eine geistige Haltung, aus welcher eine – man darf wohl   vom überwiegend desolaten Zustand von Kultur und Zivilisation.







                                                                                                                                                                 21
   17   18   19   20   21   22   23   24   25   26   27