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dass sie keine tote Materie darstellen, sondern wie Personen ein Wurzeln ist im ethnologischen Museum Berlin inventarisiert. Ich
Eigenleben besitzen. Ich als Sammler unterstütze diese Forschungs- empfinde diese (post-)kolonialistische Sehweise und Interpretation
gruppe, im Wesentlichen vertreten durch die beiden Künstler und unserer „West“-Kuratoren beschämend. Um eine, wie ich meine,
Philosophen Christoph Balzar und Hanune Shalati, indem ich diese derartige Überheblichkeit von uns „Westlern“ in Frage zu stellen
SEWA zum Beispiel aus dem Handel bzw. dem Antiquitätenmarkt und aufzubrechen, habe ich in meiner Sammlung ganz bewusst
zurückkaufe, um sie dann dem Volk der Kogi zur Rekontextualisie- Konvolute von meist jungen Künstlern aus nichtwestlichen Kultur-
rung wieder zurückführen zu lassen. Es ist traurig, dass wir unwis- kreisen integriert. Ich entschloss mich zum Beispiel auf dem letzt-
send, respektlos oder gar arrogant Heiligtümer anderer Völker zu jährigen Gallery-Weekend in Berlin eine große Wandinstallation des
Kunstgewerbe deklassieren, hier in ethnologischen Museen aus- westafrikanischen Künstlers George Adéagbo zu erwerben. Der
stellen oder aber als „Gold = Geld“ behandeln. Es wird Zeit, dass wir mittlerweile zweiundsiebzigjährige ist ein spät entdeckter Konzept-
unsere diesbezügliche Einstellung und Sichtweise ändern. künstler Westafrikas, der ursprünglich Jura studiert hat. Adéagbo
konzipiert Collagen aus Fundstücken seiner Heimat und kombiniert
Was war bei Deinen letzten Streifzügen in Sachen Kunst ein besonderes diese mit Fundstücken aus Europa, insbesondere von den Orten, in
Erlebnis? denen er gerade ausstellt. Die Arbeit, die ich erworben habe, the-
matisiert die politische Frage zur Unabhängigkeit und zur Apartheid
Mitte letzten Jahres besuchte ich mit Freunden im Rahmen der Ber- Afrikas mit einem Zitat von Nelson Mandela. Dieses uns alle betref-
lin-Biennale das ethnologische Museum in Dahlem, unter anderem fende Thema betrachtet er aus Blickwinkeln zweier verschiedener
um mir die Ausstellung von Mariana Castillo Deball anzusehen. In- Welten, eine Art „Globalisierung“ in Sachen Kunst. Adéagbo schafft
nerhalb der Sammlung dieses ethnologischen Museums waren Ex- sehr durchdacht und mit viel Empathie themenbezogene Assoziati-
ponate aus einer früheren Ausstellung Indianische Moderne – Kunst onsfelder und Bezüge aus zwei unterschiedlichen Kontinenten. Seit
aus Nordamerika zu sehen. Dort fielen mir Werke von Lawrence P. den 1990er Jahren, unabhängig vom europäischen Kunstwissen,
Yuxweluptun auf, besonders die Arbeit Downtown Vancouver von schafft Adéagbo Arbeiten mit großer Tiefe und Ernsthaftigkeit und
1988. Dieses Werk eines zeitgenössischen Künstlers mit indigenen hat so einen gänzlich eigenen Stil entwickelt.
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