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Jetzt eine Frage, die wohl jeder Sammler einmal gestellt bekommt:  zon-Schule. Van Rijn, der Mitbegründer der Fine Art Maastricht, kam
                            Wie bist Du zum Sammeln gekommen?                              auf mich zu und erklärte mir mit viel Zuwendung und Fachwissen
                                                                                           die dort gezeigten Arbeiten. Ein weites Landschaftsbild, zweidrittel
                            Im Kindergartenalter fand ich, durch den Briefwechsel zwischen mei-  aus Himmel bestehend und mit einer kleinen Stafettenfigur, mit dem
                            ner Mutter und der in Meran lebenden Großmutter, auf italienischen   Titel Offene Landschaft mit Kühen in Barbizon (o. J.) von Leon Viktor
                            Briefmarken abgebildete Gemälde alter Meister faszinierend. Ich be-  Dupré ließ mich nicht mehr los. Nach einem Abendessen und langen
                            gann bis ins pubertäre Alter hinein Briefmarken zu sammeln, hörte   Verhandlungen einigten wir uns schließlich auf eine einjährige Raten-
                            dann spontan damit auf, weil ich nicht einsah, dass eine Briefmarke   zahlung, besiegelt mit einem Handschlag. Obgleich ich das Bild nur
                            keinen Wert mehr hat, wenn ihr eine Zacke fehlt. Danach fanden alte   mit einer Rate angezahlt hatte, brachte mir Jacques van Rijn diesen
                            Grafiken und Bilder meines Urgroßvaters mütterlicherseits mein Inte-  Dupré nach Hause. Noch immer etwas unsicher und nichtwissend,
                            resse, die ich mir zu den verschiedensten Anlässen wie Geburtstagen,   ob ich jetzt nicht nun doch zu viel Geld ausgegeben hatte, stellte ich
                            Weihnachten oder Besuchen schenken ließ. Hin und wieder setzte   das Bild dann in meinen Wohnraum, legte eine Matratze davor und
                            ich mein Taschengeld ein. Mein Urgroßvater lebte und arbeitete in   schlief dort über zwei Wochen Nacht für Nacht. Es sollte das erste
                            Meran, war dort auch Vorsitzender des Kunstvereins und hinterließ   Werk einer Sammlung der Barbizon-Schule und französischer Prä-
                            meiner Großmutter eine ca. 200 m² große Wohnung aus der zweiten   impressionisten werden. Ungefähr zwei Jahre später hatte ich dann
                            Hälfte des 19. Jahrhunderts, vollgestopft mit antiken Möbeln, sakra-  ein einschlagendes Erlebnis: meine erste Begegnung mit Gegen-
                            len Skulpturen von der Gotik bis zum Barock und zahlreiche Gemäl-  wartskunst. Bei Hans Esser, einem befreundeten Architekten, Maler
                            de, meist aus der Hand meines Urgroßvaters, der ein hervorragender   und Sammler, begeisterte mich eine Papierarbeit mit Schafsköpfen
                            Kopist flämischer Malerei war, und damit wohl auch um die Wende   von  Kadishman  –  schnell  hingemalt,  in  grellen  Farben.  Es  fiel  mir
                            vom 19. ins 20. Jahrhundert gute Geschäfte machte. Als junger Arzt   wie Schuppen von den Augen: Du sammelst Kunst des 19. Jahrhun-
                            entdeckte ich 1983 dann in Maastricht die Galerie Jacques van Rijn.   derts und hier befindet sich die Gegenwartsmalerei. Es war rasch
                            Sie handelte im Wesentlichen mit französischer Landschaftsmalerei   klar, dass ich zukünftig mit meinem Sammeln nicht nach hinten son-
                            des 19. Jahrhunderts. Ausgestellt waren damals Arbeiten der Barbi-  dern nach vorne schauen sollte.








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