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Die Schönheit der Wörter
Ich lese sehr gern, egal welche Art von Büchern.
In Taiwan ging ich am Wochenende zur Bibliothek und blieb dort den ganzen
Tag. Aber hier in Deutschland habe ich ein Problem, wenn ich etwas lesen
möchte.
Wenn ich Bücher aussuche, werden es meistens Kinderbücher. Seit zehn Jah-
ren lese ich fast nur Bücher für Kinder.
Bücher für Erwachsene sind zu schwer für mich. Weil ich sie ohne Wörter-
buch zu lesen versuche, muss ich nach drei Seiten eine Pause machen. Danach
vergesse ich, was ich gerade las.
Wenn ich ein Buch ganz durchgelesen und alles verstanden habe, dann fehlt
noch etwas, nämlich die Schönheit der Wörter! Es ist wie bei einem Witz, man
muss die Kultur und den Hintergrund kennen, um die Wörter zu genießen.
Nach dem Lesen kenne ich zwar den Rahmen einer Geschichte, aber für die
Geschichte fehlen mir die tieferen Gefühle, denn die sind die Nahrung für
meine Seele.
Meine Oma
Meine Oma war vierzig, als mein Papa geboren wurde. In meiner Erinnerung
war sie immer schon alt.
Sie war eine sehr gläubige Buddhistin. Jeden Tag „las“ sie aus den gesammel-
ten Schriften der Buddhisten, dabei konnte sie überhaupt nicht lesen! Frau-
en im alten China gingen meistens nicht zur Schule, vor allem nicht in den
kleinen Dörfern. Also fragte meine Oma eine Nonne und lernte die Sprüche
einfach auswendig. Die Art und Weise, wie meine Oma „las“, fand ich un-
glaublich.
Die Bücher über die buddhistischen Weisheiten wurden vom Indischen in
mangelhaftes Chinesisch übertragen. Im Großen und Ganzen ergaben die
Übersetzungen wenig Sinn, und deshalb wollte ich nicht wie meine Oma die
Bücher auswendig lernen.
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